Biennale Architettura 2021
Vogt Landschaftsarchitekten und die Professur Günther Vogt an der ETH Zürich stellen an der 17. Internationalen Architekturausstellung - La Biennale di Venezia, kuratiert von Hashim Sarkis, aus. Die Projekte sind vom 22. Mai bis 21. November 2021 in Venedig zu sehen.
Migrating Landscapes, Rolling Stones und Common Water - the Alps. Basierend auf dem vom Architekten und Wissenschaftler Hashim Sarkis vorgeschlagenen Thema "How will we live together?" beschäftigen sich die drei Beiträge von Vogt Landschaftsarchitekten und der Professur Günther Vogt mit den Elementen Stein, Vegetation und Wasser. Die Installationen thematisieren die beschleunigten Transformationsprozesse heutiger Landschaften als Folge der sich verändernden Umweltbedingungen und gehen der Frage nach, was diese Veränderungen für das Zusammenleben bedeuten.
Migrating Landscapes
Die sich im Innern des Gartens befindende Megastruktur wirkt wie ein Modell der Stadt, auf der diese steht - eine Topografie von dessen Architektur. Die hart gepressten Ziegelsteine, aus welchen diese Stadtlandschaft beschaffen ist, sind aus Erde verschiedener Regionen Europas hergestellt und bieten eine Art architektonische Materialkartierung einer Region, deren Flora sich wie die der Welt ständig verändert. Während die Vegetation zwischen den Ritzen dieses Stadtmodells wächst, verwandelt sich die Architektur in Landschaft.
Das Relief erstreckt sich unter dem Schatten von fünf Bäumen, die eines der wichtigsten Vegetations- und Landschaftselemente des öffentlichen Raums auf dem gesamten Kontinent darstellen: Platanus acerifolia. Im Zentrum der Installation platziert, steht dieser prächtige Laubbaum sinnbildlich für die Anfänge des Gartens unter napoleonischer Herrschaft sowie für die Einführung nicht einheimischer Flora in die bestehenden Grünflächen der Stadt.
Die Installation kartiert nicht nur das Territorium durch eine Dekonstruktion seiner Architektur, sondern fungiert auch als Zeitleiste der Veränderungen der Vegetation in der Stadt Venedig. Diese werden in Form eines verblassten Pflanzschemas mit nicht-einheimischer Flora sichtbar gemacht. Das Projekt präsentiert eine synthetische Geschichte des ökologischen Wandels und der Manipulation von Land.
Die urbane Landschaft weicht einer zerklüfteten Topografie, in welcher die Saat des Wandels aufgenommen wird und einer neuen Art von Landschaft Platz macht. Die implizite Beziehung zwischen Landschaft und Architektur wird damit neu interpretiert.
Rolling Stones
Der nicht-menschliche Bereich umfasst eine grosse Anzahl von Elementen, die tendenziell als träge eingestuft werden. Viele sind allerdings untrennbar mit der Landschaft und der natürlichen Welt verbunden - einem Bereich, der durch Fülle und vor allem durch Leben gekennzeichnet ist. Landschaften sind Ansammlungen von sowohl biotischen als auch abiotischen Elementen, die durch die menschliche Wahrnehmung in kulturelle Objekte verwandelt werden. Wenn dies wahr ist, dann kann die Agentur, die wir in diesem Fall den Felsen jemals geben könnten, durch die Populärkultur und die fast unmerkliche Bewegung, die die Felsbrocken durch Millionen von Jahren und wiederkehrende Eiszeiten vollzogen haben, durch einen Song sichtbar gemacht werden.
Die den Felsen verliehen Wirkungskraft kann so durch die Populärkultur animiert und die fast unmerkliche Bewegung der Felsen über Millionen von Jahren und wiederkehrende Eiszeiten durch das Lied sichtbar gemacht werden. "Rolling Stones" erkennt die Wirkung dieser Felsen nicht durch ihren Wert als Entitäten an, sondern würdigt sie durch Assoziationen, Metaphern und ihre Fähigkeit, zum Leben zu erwachen - nicht nur durch Bewegung und ihre unzweifelhafte Fähigkeit, das Land und unsere Vorstellungen von Landschaft zu formen, sondern auch durch Sprache und Worte.
Common Water – the Alps
Die Alpen sind kein statisches Gefüge, sondern ein dynamischer und hochsensibler Lebensraum. Geologische und geomorphologische Prozesse formten über Jahrmillionen ihre charakteristische Topographie und damit die Grundvoraussetzungen zur Entwicklung des alpinen Lebensraums. Dieser ist gekennzeichnet durch die unablässige Schaffung von Lebensvoraussetzungen im direkten Dialog mit lokalen Bedingungen – die wiederum spezifische Formen der Gemeinschaft fördern, um einen nachhaltigen Umgang mit den natürlichen Ressourcen zu sichern.
Gleichzeitig sind die Alpen aber kein abgeschotteter Raum, sondern waren schon immer in die wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen des europäischen Kontinents eingebunden, wenngleich normalerweise mit etwas zeitlicher Verzögerung und in abgemilderter Form. Mit der Industrialisierung kam dann aber auch die Unterscheidung zwischen intensiv und extensiv genutzten Landschaften. Der Klimawandel treibt diese Entwicklung zusätzlich voran. Betrachtet man Wasser als zentrale Ressource der alpinen Landschaft, werden die Folgen der steigenden Temperatur deutlich sichtbar. Das rasch fortschreitende Schmelzen der Gletscher und die abnehmende Bedeutung des Schnees bewirken u.a. eine „Verflüssigung des Wasserhaushalts”; d.h. die Speicherfunktion von Schnee und Eis verliert an Bedeutung, so dass die hydrologischen Verhältnisse zunehmend stärker vom Niederschlag beeinflusst werden. Als Folge können die Alpen vor allem im Sommer ihre Funktion als Europas Wasserturm nicht mehr vollständig erfüllen. Sie werden aber weiterhin für die Wasserversorgung Mitteleuropas von grosser Bedeutung sein. Und auch das angrenzende Tiefland der Alpen wird im Sommer zusehends trockener.
Um die Möglichkeiten auszuloten, wie mit dem Wasser der Alpen in Zukunft umgegangen werden soll, ist ein breiter Diskurs erforderlich. Dieser Beitrag zur Ausstellung schlägt eine neue Lesart der alpinen Landschaft als „ökologische Insel” im Zentrum des Kontinents vor, die verschiedene Disziplinen wie Kunst, Naturwissenschaft, Ingenieurwesen und Landschaftsarchitektur integriert. In einem europäischen Bezugsrahmen betrachtet, ergeben sich völlig neue Eigenschaften: ein Ressourcenraum für (qualitativ einwandfreies) Wasser und Energie; ein Hotspot der Biodiversität; eine Touristendestination mit angenehmen klimatischen Bedingungen; ein Kulturraum frei vom Stress einer dichten Besiedlung und eine einzigartige Landschaft.
Die Erschliessung neuer Beziehungen zwischen dem inneralpinen und ausseralpinen Europa beruht auf den Prinzipien der Zusammenarbeit. Wie bei den frühen Agrargemeinschaften im Alpenraum muss der Austausch auf einer gemeinsam ausgehandelten und nachhaltigen Nutzung basieren. Auf diese Weise ist ein verantwortungsvoller und sorgfältiger Umgang mit der Alpenlandschaft als Ressource möglich, der auf traditionelle Bilder und Vorstellungen verzichtet und stattdessen neue Bilder und Bedeutungen schafft.
Die Publikation "Moving Borders - Changing Alpine Landscapes" dokumentiert die Beiträge der Biennale und ergänzt diese mit wissenschaftlichen Essays, künstlerischen Arbeiten und umfangreichen Fotografien und Karten, die bei Exkursionen im Alpenraum entstanden sind.
Erscheint im Oktober 2021 bei Lars Müller Publishers.