Klanghaus Toggenburg

Landschaft als Resonanzraum

Details

Klang, Landschaft, Architektur

Das Toggenburg liegt in den Voralpen der Ostschweiz. Im Süden wird die Region durch die hoch aufragenden Churfirsten gefasst, im Norden markiert der Säntis den höchsten Punkt. Am Fuss des Chäserruggs, inmitten einer reich strukturierten Kulturlandschaft, befinden sich der vordere und hinter Schwendisee, oberhalb des Dorfs Unterwasser, am Rand des Siedlungsgebiets, in einer landschaftlich einzigartigen Lage.

 

Die Kultur dieser Gegend bildet den Ausgangspunkt der Klangwelt. Die Idee des Klanghauses geht auf den Musiker Peter Roth zurück. Roth veranstaltete Kurse am vorderen Schwendisee, um zentrale Formen der Musikkultur weiterzugeben: den Naturjodel, den Alpsegen und die Schellen als Elemente der Alpkultur sowie das Hackbrett als naturtöniges Saiteninstrument der Tanzmusik. 

 

Die Klänge dieser Landschaft bilden die Grundlage für die Initiative Klangwelt Toggenburg, die mit dem Klanghaus eine räumliche Fassung erhält. Das Konzept eines begehbaren, aus Holz gefügten Instruments prägte von Beginn an die Vorstellung eines grossen Klangraums. Im Jahr 2010 wurde zur Entwicklung eines architektonischen Entwurfs eine international besetzte Thesenkonkurrenz ausgelobt, aus der das Zürcher Büro Meili Peter hervorging. Grundlage ihrer Vision bilden die Thesenblätter von Marcel Meili aus dem Wettbewerbsverfahren. 

 

Der Neubau folgt mit seinen parabolischen Wänden der Topografie der drei Geländekammern. Im Inneren rahmen grossflächige Fenster diese drei markanten Landschaftsszenen, die jeweils eine der prägenden Achsen des Ortes aufnehmen: den Schwendisee, den Schafberg und den Talausgang. Aus dieser Dreigliederung ergibt sich die sternförmige Form des Klanghauses. Das Klanghaus versteht sich als räumliche und akustische Installation. Die Architektur selbst wird zum Instrument. Das Aufspannen grosser parabolischer Wände erfolgt einerseits, um die Töne der Landschaft zu bündeln und zu verstärken, anderseits strahlt die in den Buchten gespielte Musik wie ein Echo in die Landschaft zurück. 

 

Das Klanghaus bezeichnet gleichsam den Ort, an dem sich verschiedene Räume überlagern: der landschaftliche, akustische und architektonische. Diese Räume sind von unterschiedlicher Flüchtigkeit. Das Beziehungsfeld von Klang und Landschaft wird unter Einbezug der Architektur zu einem Dreieck erweitert. Als offenes Musiklabor konzipiert, ermöglicht das Klanghaus Begegnungen zwischen Musikerinnern und Musikern aus der Naturtonmusik und anderen Genres in einer internationalen Werkstatt für experimentelle Zusammenarbeit.

Resonanzraum

Meilis Texte beschreiben die prägnante, expressive Form des Gebäudes, die nicht bloss seinen Zweck abbildet, sondern auf die Eigenheit der landschaftlichen Situation antwortet. Wie eine kleine Kapelle in den Bergen geht diese Architektur eine feste, verwurzelte Verbindung mit der Topografie ein. Es ist die Ruhe und die Gefasstheit dieses Raums, welche die grandiose Weite der Landschaft gegenwärtig machen. Volksmusik – etwa das Jodeln oder die Klänge von Alphörnern – steht nicht allein wegen ihrer Bildhaftigkeit in Beziehung zur Landschaft, sondern versteht diese als Resonanzraum. Nur eine Architektur, die sich ihrer eigenen Regeln sicher ist, hat der Musik überhaupt etwas zu sagen. Und tatsächlich gibt es verborgene Linien, an denen die Begegnung aufregend wird.

 

Landschaft

Der Schwendisee ist ein typisches Ergebnis der Entwicklung, Bewegung und des Abschmelzens eines Kargletschers. Der Projektperimeter des Klanghauses liegt auf der sanft ansteigenden topografischen Krete, die von einer lokalen Stirnmoräne / Karschwelle zurückgeht und den Schwendisee nach Westen begrenzt. Die Mulde rund um den See, gesäumt von stillen Mooren, bildet einen natürlichen Klangraum. Das einzige Gebäude am See, ein kleines Hotel, wurde rückgebaut. Leicht erhöht gelegen, überblickt der Neubau zugleich den See vor sich und das Dorf hinter sich. Die präzise Verortung des Baukörpers in der Landschaft zählt zu den wesentlichen Qualitäten des Projektes. Das ursprüngliche Wettbewerbsprojekt orientierte sich an den in der Auslobung definierten Rahmenbedingungen und lag damit weitgehend innerhalb der höchsten Schutzgebiete. Ziel der Überarbeitung war, den Standort des Neubaus aus dem BLN-Objekt 1613 Speer-Churfirsten-Alvier weitgehend herauszulösen. In der Weiterentwicklung wurde die verfügbare Parzelle durch die Verlegung der Erschliessungsstrasse, den Erwerb von Parkplätzen auf dem benachbarten ehemaligen Hotelareal sowie unter Einbezug der topografischen Gegebenheiten erweitert, um den Spielraum für die Positionierung des Klanghauses zu vergrössern und es möglichst ausserhalb des Perimeters des Bundesinventars für Landschaften und Naturdenkmäler zu verorten. Seit der Wettbewerbsphase verantwortet das Büro Vogt Landschaftsarchitekten die Themen Landschaft und Erschliessung und entwickelt diese als zentrale Bestandteile des Projekts.

 

Das Landschaftskonzept ist kein Gestaltungskonzept im klassischen Sinn. Der dem Klanghaus innewohnende wechselseitige Bezug von Natur und Kultur, von der Landschaft als Resonanzraum und sinnlichem Gegenüber des Musikers, verlangt kein gestaltetes Umfeld oder einen Zwischenraum zwischen Natur und Gebäude in Form eines Gartens. Im Gegenteil bedarf es der Unmittelbarkeit, das Klanghaus in die Geräuschkulisse der Natur, in das Surren des Falken, das Plätschern des Baches zu integrieren, die diesen Ort allseitig ohne Trennung umgeben. Ziel des Landschaftskonzepts ist es daher in erster Linie, die Anforderungen der verschiedenen Kommissionen und -verbände unter Berücksichtigung der Mindestvorgaben zur Erschliessung so gut wie möglich zu erfüllen und dabei die Nähe zwischen Natur und Baukörper zu wahren.

© Ralph Brühwiler

Das Landschaftskonzept ist kein Gestaltungskonzept im klassischen Sinn. Der dem Klanghaus innewohnende wechselseitige Bezug von Natur und Kultur, von der Landschaft als Resonanzraum und sinnlichem Gegenüber des Musikers, verlangt kein gestaltetes Umfeld oder einen Zwischenraum zwischen Natur und Gebäude in Form eines Gartens. Im Gegenteil bedarf es der Unmittelbarkeit, das Klanghaus in die Geräuschkulisse der Natur, in das Surren des Falken, das Plätschern des Baches zu integrieren, die diesen Ort allseitig ohne Trennung umgeben. Ziel des Landschaftskonzepts ist es daher in erster Linie, die Anforderungen der verschiedenen Kommissionen und -verbände unter Berücksichtigung der Mindestvorgaben zur Erschliessung so gut wie möglich zu erfüllen und dabei die Nähe zwischen Natur und Baukörper zu wahren.

© Siegfriedkarte

Topografie 

Die lokale Topografie stellt sowohl ein prägendes, wertvolles als auch einschränkendes Element für die Positionierung des Gebäudes und seine landschaftliche Einbindung dar. So wird das Klanghaus unter Berücksichtigung der siedlungshistorisch angemessenen Lage auf der Karschwelle so weit wie möglich vom Seeufer abgerückt. 

 

Mit dem Projekt und der Verlegung der Strasse wurde die Gelegenheit genutzt, den Neubau im Vergleich zum vormals bestehenden Seegüetli deutlich besser in die Topografie einzubetten und diese im Bereich des Klanghauses sowie entlang der heutigen Strasse bis zur östlichen Kreuzung wieder näher an die ursprüngliche Form der prägnanten Stirnmoräne heranzuführen. Die bestehende Strasse verläuft nun ab der westlichen Kreuzung talauswärts unterhalb der Krete und tritt im Landschaftsbild deutlich zurück und schafft Freiraum für die Positionierung des Klanghauses. Anlieferung und Zufahrt erfolgen künftig über eine talauswärts verlaufende Erschliessung, die von der neu geführten Strasse abzweigt und sich in ihrer Linienführung an der bestehenden Topografie orientiert. Die festgelegte Trasse nutzt vorhandene Geländeformen wie Plateaus und Senken. Auch der prägnante Baumbestand sowie die bestehende Formation aus verlagerten Findlingen bleiben mit dieser Linienführung unangetastet. 

 

Vegetation 

Die ufernahen Flach- und Hochmoore von nationaler Bedeutung bieten einer vielfältigen Flora und Fauna Lebensraum. Der unmittelbare Seezugang ist durch natürlichen Schilfbewuchs und Ufervegetation geprägt. Mit der Platzierung des Neubaus in grösserer Distanz zum Ufer konnte die Pufferzone zum angrenzenden Moorschutzgebiet deutlich erweitert werden. Der Wander- bzw. Klangweg verläuft nun nicht mehr zwischen Gebäude und See, sondern folgt der neu geführten Erschliessung um das Klanghaus herum. Die Fussgängerbrücke wurde im Zuge der Umgestaltung rückgebaut und damit die direkte Verbindung zum Ufer aufgehoben. Die Pflege der Fläche richtet sich nun nach einem extensiven Konzept, das den Anforderungen des Schutzgebiets Schwendisee entspricht und das Flachmoor ökologisch stärkt. 

 

Das Projekt stärkt standorttypische Vegetationsformen entlang der Uferbereiche und auf der höhergelegenen Moräne. Ein extensiver Unterhalt bildet die Grundlage dafür, ergänzt durch Massnahmen wie den Abtrag des überdüngten Oberbodens, der durch langjährige landwirtschaftliche Nutzung entstanden ist. Auch ein gezielter Nährstoffentzug durch das Entfernen von Schnittgut kann zur Abmagerung beitragen. Im Bereich des Bachs sowie punktuell auf den Wiesenflächen fördern Initialpflanzungen die Entwicklung naturnaher Ufervegetation und unterstützen das Wachstum charakteristischer Solitärgehölze und Baumgruppen, die das Landschaftsbild prägen.